Was bedeutet kritisches Denken eigentlich?
Kritisches Denken ist eine typisch menschliche Fähigkeit, also eine Fähigkeit, mit der sich der Mensch von der Maschine unterscheidet. Nach dem „4-K-Modell“ von The Partnership for 21th Century Learning zählen kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität zu den vier zentralen „Future Skills“. Bereits in der Schule werden Schüler*innen durch verschiedene Unterrichtsformate zum kritischen Denken angeregt.
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Definition kritisches Denken
Unter kritischem Denken versteht man die Fähigkeit, eine Information (z. B. Daten, Fakten), eine Behauptung oder eine bestimmte Position zu bewerten und sich darauf aufbauend ein Urteil darüber zu bilden. Es findet also eine Einordnung bzw. Einschätzung der Sachlage statt.
Wozu brauche ich kritisches Denken?
Ob du gerade in Social Media unterwegs bist, dich auf der Suche nach einem passenden Arbeitgeber für deinen ersten Job befindest oder du bereits mitten in der Berufsausbildung steckst, kritisches Denken ist auf jeden Fall eine wichtige Fähigkeit, die dir dabei hilft, die Zukunft mitzugestalten.
Hier findest du drei beispielhafte Situationen, in denen kritisches Denken gefragt ist.
Mos (16) klickt sich abends flüchtig durch die neusten Insta-Posts. Er sieht ein Bild von seiner Schule mit der Meldung: „Wichtig! An alle Schüler*innen vom Erich-Kästner-Gymnasium in Neustadt: Morgen fällt der Schulunterricht aus!“ Schnell leitet er den Post per DM auch an seine befreundeten Mitschüler*innen weiter. Es stellt sich aber leider am nächsten Tag gegen Mittag heraus, dass der Post von einer Mitschülerin kam, die sich einen schlechten Scherz erlaubt hat. Mo hatte die Quelle der Nachricht vor dem Weiterleiten leider nicht gründlich geprüft. So haben einige seiner Freunde und er deswegen unentschuldigt gefehlt.
Lene (18) bewirbt sich gerade auf eine Ausbildungsstelle. Sie hat sich bereits einige Stellenanzeigen für Ausbildungsplätze in ihrem Wunschberuf angeschaut. Eine stach besonders hervor. Sie klang richtig gut: Ein Pausenraum mit Tischkicker, täglich kostenlos frisches Obst und Getränke, Teamarbeit und die Weiterbildung der Mitarbeitenden werden großgeschrieben. Als sie dann im Vorstellungsgespräch fragt, welche Weiterbildung man denn als Mitarbeiterin in dem Unternehmen machen könne, erhielt sie die Antwort: „Also erst mal steckst du ja in der Ausbildung, da hast du dann eh genug zu lernen. Und danach sehen wir mal weiter. Das musst du dann mit deiner oder deinem Vorgesetzten besprechen, was da Sinn macht.“ Lene fragt sich, ob das Thema Weiterbildung bei diesem Arbeitgeber wirklich so großgeschrieben wird, wie es in der Stellenanzeige angepriesen wurde.
Sam (16) macht ein Praktikum bei einer Agentur, das Social-Media-Kampagnen für Unternehmen entwirft und durchführt. Im Teammeeting lehnt Sams Vorgesetzte das Benutzen von Hashtags ohne ersichtlichen Grund ab. Sam sieht dies kritisch, denn mit dem Benutzen von Hashtags können Interessierte einfacher auf den Instagram-Post oder das TikTok stoßen. Sam nimmt allen Mut zusammen und widerspricht seiner Vorgesetzten mit guten Argumenten. Hashtags werden seitdem genutzt und Sam wurde sogar angeboten, seine Ausbildung im Unternehmen zu beginnen.
Die drei Beispiele zeigen dir, wofür du kritisches Denken unter anderem gut gebrauchen kannst:
- Kritisches Denken hilft dir, deinen eigenen Standpunkt zu entwickeln.
- Mithilfe von kritischem Denken kannst du dich leichter auf Veränderungen einlassen und neue Wege gehen.
- Kritisches Denken hilft dir beim Unterscheiden zwischen echten und falschen Nachrichten.
Wie trainiere ich kritisches Denken?
Das Potenzial, kritisch zu denken, trägt jeder Mensch in sich. Das heißt, du kannst es trainieren und ausbauen. Dies sind einige Methoden, wie du kritisches Denken im Alltag lernen kannst:
Quellen ansehen und bewerten
Ganz egal, ob du einen Blogbeitrag liest, die neuste Meldung aus der Politik in Social Media vernimmst oder dir eine Umfragestatistik in den Suchergebnissen anschaust – hier ist dein kritisches Denken gefragt. Dies beginnt mit dem Prüfen der Quelle:
- Urheberschaft: Wer ist der/die Urheber*in dieser Information?
- Kompetenz: Welche Kompetenzen hat die Person oder das Unternehmen?
- Expertise: Passen die Kompetenzen/Erfahrungen zur Nachricht/Information?
- Aktualität: Wie aktuell ist die Information?
- Autorität: Ist der/die Urheber*in bekannt zu dem Thema?
Hinterfrage also stets, wie vertrauenswürdig die Quelle ist.
Perspektive wechseln
Um eine kritische Sichtweise zu üben, kannst du zu einem Thema deiner Wahl verschiedene Standpunkte betrachten und anschließend jeweils die Argumente dafür herausziehen. Ähnlich also, wie du es vielleicht aus der Schule beim Verfassen einer Erörterung kennst: Stelle zwei gegensätzliche Standpunkte gegenüber, beschreibe sie und stelle dann ihre Argumente und Gegenargumente dar. Überprüfe deine Argumente auch: Kannst du sie mit nachweisbaren Fakten oder deinen eigenen Erfahrungen belegen? Leite dann ein Fazit ab.
Diskutieren und argumentieren
Diskutieren und argumentieren trainiert ungemein dein kritisches Denkvermögen. Sei aufgeschlossen gegenüber anderen Meinungen, Argumenten und Lösungsvorschlägen und beteilige dich aktiv an Diskussionen.
Tausche dich mit Menschen aus – besonders auch mit den Menschen, mit denen du dich gewöhnlich nicht über bestimmte Themen austauschen würdest, etwa aufgrund des Altersunterschiedes. Hinterfrage das Gesagte und Geschriebene anderer, indem du z. B. für dich gedanklich überprüfst, ob die Argumente der Person mit Fakten und Beispielen belegt wurden oder ob sich die Person widerspricht.
Nachbohren und Gegebenheiten hinterfragen
Ein weiterer wichtiger Schritt im kritischen Denkprozess ist das „Nachbohren“ – also das Hinterfragen von vermeintlichen Gegebenheiten. Nichts bleibt so, wie es einmal war, im Leben gibt es immer Veränderungen. So befindet sich auch die Arbeitswelt ständig im Wandel. Wenn du also von einem Kollegen oder einer Vorgesetzten Sätze hörst wie:
- „Das war hier schon immer so im Unternehmen. Das wird sich auch nie ändern.“,
- „Das ist einfach so. Da brauchen wir nicht drüber zu diskutieren.“ oder
- „Wir müssen das so machen, das kann man nicht anders machen“,
… dann liegt es an dir, solche pauschalen Aussagen kritisch zu hinterfragen. Denn einem zukunftsgerichteten Unternehmen ist immer daran gelegen, dass die eigenen Mitarbeitenden mitdenken und Gegebenheiten auch hinterfragen. Nur so kann sich das Unternehmen weiterentwickeln und Lösungen für die Zukunft finden.
Wie könntest du solche Aussagen von deiner/deinem Vorgesetzten hinterfragen?
Meinung und Urteil unterscheiden
Für das kritische Denken ist es auch hilfreich, wenn dir der Unterschied zwischen Meinung und Urteil bewusst ist.
Good to know
In der politischen Bildung wird zwischen Meinung und Urteil unterschieden. Eine Meinung ist dabei die Äußerung, die du hast, wenn du das Thema zum ersten Mal hörst (ohne dir groß Gedanken zu machen).
Ein Urteil ist eine begründete Meinung. Du hast dich damit auseinandergesetzt und kennst alle Fakten. Dann kannst du dir ein Urteil über die Sache bilden.
Erkennst du den Unterschied? Eine eigene Meinung zu haben und zu äußern, heißt noch nicht, kritisch zu denken. Dafür bedarf es dann noch einer tiefergehenden Auseinandersetzung und kritischen Betrachtung des Themas, auch mit der eigenen Meinung dazu.
Bereit für deine Zukunft?
Kritisches Denken ist eine wichtige Fähigkeit für jetzt und auch in Zukunft, wenn du ins Berufsleben eintrittst. Die genannten Beispiele zeigen dir, dass kritisches Denken in ganz unterschiedlichen Situationen gefragt ist.
Persönliche Fähigkeiten kannst du gezielt weiterentwickeln. Gerade Human Skills, die uns Menschen auszeichnen, sind auch im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt unabdingbar. Denn beim kritischen Denken, wie auch bei Kreativität oder Intuition, handelt es sich um sehr komplexe Prozesse im menschlichen Gehirn. Und erst wenn wir Menschen vollkommen verstanden haben, wie das alles so funktioniert, können Roboter gegebenenfalls von uns Menschen (!) in die Lage versetzt werden, auch diese Fähigkeiten nachzuahmen.
Daher sind Zukunftsfähigkeiten, wie kritisches Denken, prädestiniert für deine Bewerbung für den ersten Job. 🙂